Autonomie des Kindes oder Trotzphase?
Oder die Entdeckung des eigenen Ichs?
Wieso kommt es denn überhaupt zur Trotzphase? Welchen Sinn hat sie? Und wie möchtest du damit umgehen?
Ungefähr ab 18 Monaten kann die „Trotzphase“ losgehen und kann bis zum sechsten Lebensjahr anhalten. Wobei die intensivste Zeit in der Regel das dritte Lebensjahr ist. Das kann eine seeeeehr lange Zeit sein.
Aber wie kommt es dazu? Bzw. warum?
Wusstest du, dass ein Kind in Deutschland im Durchschnitt pro Tag ca. 265 Mal das Wort „nein“ hört? Das sind 1.74 Millionen Mal, bis es 18 ist.
Ein dreijähriges Kind ist in der Regel ca. 12 oder 13 Stunden pro Tag wach. Das bedeutet, dass es das Wort Nein ca. 21 Mal pro Stunde hört. Stell dir vor, dir sagt jemand 21 Mal pro Stunde, also weniger als alle drei Minuten, „nein“ zu etwas, was du unbedingt machen möchtest.
Wie fühlst du dich dabei?
Gleichzeitig lernen Kinder in genau dem Alter, dass sie Grenzen ziehen können, dass sie sagen können, was sie machen möchten und was nicht. Sie können selbst bestimmen – zumindest manchmal. Das bedeutet nun nicht, dass wir unseren Kindern alles erlauben sollten.
Aber was können wir tun?
Wenn du nicht weiterweißt, stelle dir die Situation umgekehrt vor. Du hast in der nächsten Stunde ständig neue, großartige Ideen, die du unbedingt umsetzen möchtest. Aber irgendwie, kommt das bei deinem Umfeld nicht sonderlich gut an. Sie wollen einfach nicht mitmachen, finden deine Ideen nicht so toll, wie du sie findest.
Was würde es dir leichter machen, ein „nein“ zu akzeptieren?
Wenn du zumindest das Gefühl hast, gehört und verstanden zu werden? Wenn du mitbekommst, dass dir dein Gegenüber nichts „Böses“ möchte? Vielleicht gerade einfach keine Zeit oder Energie hat?
- Höre deinem Kind richtig zu. Nicht nur nebenher. Nehme dir die paar Sekunden Zeit, deinem Kind deine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Schau ihm dabei in die Augen. Höre wirklich zu.
- Nehme es nicht persönlich. Wenn dein Kind anfängt, mit dem Fuß zu stampfen oder dich anzuschreien, dein Kind weiß noch nicht, wie es mit den ganzen Gefühlen und Frustrationen umgehen soll.
- Lass dein Kind ausprobieren. Wieso eigentlich nicht? Manchmal ertappen wir uns dabei, aus Gewohnheit „nein“ zu sagen. Oder weil es einfacher ist. Lass es dein Kind doch einfach mal selbst probieren? In dieser Phase geht es um Selbstwirksamkeit – etwas selbst machen zu können.
- Sag ja. Mach etwas verrücktes. Und wenn es zum Mittagessen Schokoladenpudding gibt? Das muss ja nicht immer so sein. Mach etwas besonderes daraus. Unterstütze die Motivation und Energie deines Kindes. Das Obst oder Gemüse kann es dann als Mittagssnack essen.
- Helfe deinem Kind, Wörter für seine Gefühle zu finden. Fühlst du dich traurig? Bist du aufgeregt? Hast du Angst?
- Nehme dein Kind in den Arm. Eine Umarmung kann sehr viel (wieder) gutmachen. Aber bitte auch nur, wenn das Kind gehalten werden möchte. Und wenn es erst abweist und vielleicht zwei Minuten später eine Umarmung haben möchte, bitte nicht nachtragend sein. Wir kennen solche Situationen von uns selbst. Wie schwer muss es für ein kleines Kind sein?
- Reagiere nicht genervt. Ich weiß, es ist ab einem gewissen Punkt schwer. Und es ist okay, mal genervt zu reagieren. Erkenne es, halte inne, atme, entschuldige dich. Siehe den vorherigen Punkt.
- Suche dir Unterstützung. Finde jemanden, mit dem du sprechen und dich austauschen kannst. Jemand, der ähnliche Ansichten hat wie du. Es kann dein Partner sein, eine Freundin, eine andere Mutter, eine Beratungsstelle. Finde jemand, bei dem du dich gut aufgehoben fühlst, darüber zu sprechen.
Ich sage nicht, dass das immer alles einfach ist, aber es lohnt sich! Wie alles, ist auch das eine Übungssache.
Wenn Kinder schon von Früh an erfahren, dass sie selbstwirksam sind, dass sie ihre Umwelt und ihr Leben selbst (mit)bestimmen können, können sie zu starken, selbstbewussten Erwachsenen werden. Vielleicht hilft dir dieser Gedanke auch dabei, die ein oder andere unangenehme Situation auszuhalten und ruhiger zu reagieren.
Genieße es. Ganz bewusst. Mach neue Erfahrungen mit deinem Kind. Wachst zusammen. Weiß: du bist nicht alleine!
Und ganz wichtig – nehme dir Zeit für dich. Nur wenn du dir Zeit nimmst, kannst du im Gleichgewicht sein. Dann kannst du auch viel entspannter auf das nächste „Ich will aber!!“ reagieren.
Autor:
Sabrina Rees